Kontrafunk aktuell vom 29. März 2024
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Am Karfreitag blicken wir auf die Situation der Kirche und auf den Glauben. Wie entsteht Glauben in uns? Warum verlieren die großen Kirchen rasant an Mitgliedern? Was kann der Glaube uns geben? Das fragen wir Pfarrer Jürgen Fliege. Mit dem Historiker Dr. Pascal Lottaz von der Universität Kyoto sprechen wir über die japanische Geschichte und den Umgang der Japaner mit ihrer Geschichte. Und im Gespräch mit Oliver Hannemann von „München steht auf“ geht es um den Ostermarsch am Samstag in der bayerischen Landeshauptstadt.
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Kontrafunk im Gespräch mit Jürgen Fliege
Das Kreuz mit dem Kreuz
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Kontrafunk im Gespräch mit Pascal Lottaz
Historisches Bewusstsein: Japan
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Kontrafunk aktuell im Gespräch mit Oliver Hannemann
Friedensmarsch am Ostersamstag in München
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Kontrafunk-Kommentar von Ines Taraschonnek
Haiti
Haiti versinkt im Chaos. Wieder einmal. Bereits Ende Februar haben gewalttätige Banden in weiten Teilen des Landes die Macht übernommen. Ministerpräsident Ariel Henry sitzt im Ausland fest und hat seinen Rücktritt angekündigt. Darauf hatten insbesondere die USA gedrängt, die Henry erst im Juli 2021 nach der bis heute nicht vollständig aufgeklärten Ermordung seines Vorgängers ins Amt verholfen haben sollen. Bis zu einer möglichen Wahl ist für die Menschen in Haiti nun zunächst ein Präsidentenrat vorgesehen. Internationale Truppen stehen für den Einsatz bereit. Die Finanzierungskampagnen laufen. Presseberichten zufolge hatte der weitsichtige UN-Sicherheitsrat bereits im Oktober eine Mission zur Unterstützung der haitianischen Polizei genehmigt. Der Plan steht also, und es ist die gleiche Prozedur wie immer und überall.
Um nun der Frage nachzugehen, ob von dem ewig gleichen Vorgehen tatsächlich Ergebnisse erwartbar sind, die sich von denen in der Vergangenheit unterscheiden, ist möglicherweise ein Blick in die Geschichte hilfreich. Haiti erlangte 1804 nach der einzigen erfolgreichen Sklavenrevolution der Weltgeschichte als erstes Land Lateinamerikas die Unabhängigkeit. Nur zwanzig Jahre später fiel es jedoch zurück in die Hände der früheren Kolonialmacht Frankreich. In diesem Fall nicht durch physische, sondern mittels finanzieller Gewalt. Eine erzwungene, massive Entschädigungszahlung begründete die seither andauernde Auslandsverschuldung. Bis heute ist das Land gezeichnet von Kriegen, Besatzungen, diktierten Herrschern und korrupten Eliten. Von 2004 bis 2017 geriet Haiti erneut unter direkte ausländische Kontrolle, dieses Mal in Form der internationalen Staatengemeinschaft. Doch auch die unter einem UNO-Mandat eingesetzten 6700 Blauhelme und 1200 Zivilpolizisten vermochten es nicht, dauerhaft die Lage in einem Land zu stabilisieren, welches kaum die Größe des deutschen Bundeslandes Brandenburg hat. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Entwicklungshilfe. Nach dem verheerenden Erdbeben im Januar 2010, bei dem mindestens 250.000 Menschen starben, kamen die Clintons in den karibischen Inselstaat. Die einen sagen, um zu helfen. Andere, darunter Journalisten des amerikanischen Nachrichtensenders ABC News, behaupten, um Freunden und Spendern der Clinton-Stiftung lukrative Aufträge zu verschaffen. Immerhin gilt noch heute die Frage als ungeklärt, wohin die Milliarden USD tatsächlich geflossen sind, die von der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton und ihrem Ehemann Bill, seinerzeit UN-Sondergesandter für Haiti, gesammelt beziehungsweise verwaltet wurden. Fest steht lediglich, dass von den versprochenen 100.000 Arbeitsplätzen nur wenige Tausend geschaffen wurden. Dass statt ausreichend Wohnraum für die Bevölkerung ein Luxushotel gebaut wurde. Und dass das Land noch immer nicht über ein funktionierendes Abwassersystem verfügt.
Joel Boutroue, von 2006 bis 2009 stellvertretender UN-Sonderbeauftragter der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti, kam bereits 2017 zu der ernüchternden Feststellung, dem Land „würde es ohne Hilfe besser ergehen“. Und er holte noch weiter aus. Laut Boutroue ist die gesamte internationale Hilfsarbeit größtenteils ein Misserfolg – und zwar nicht nur in Haiti. In seiner denkwürdigen Begründung heißt es, dass die Entwicklungsagenturen in vielen fragilen Staaten mit den für die prekäre Situation oft mitverantwortlichen Eliten zusammenarbeiten sowie mit den öffentlichen Verwaltungen, die jedoch nichts als eine leere Hülle seien. In der Folge werde somit lediglich der Status quo zementiert.
Und die Moral von der Geschichte? Nach Jahrzehnten der so bezeichneten Entwicklungshilfe dürfte auch den Funktionären an den politischen und institutionellen Schaltstellen der miserable Wirkungsgrad ihrer vorgeblich philanthropischen Arbeit nicht entgangen sein. Trotz jährlich weltweit verschobener Milliardensummen herrschen in zahlreichen Ländern auch weiterhin katastrophale Zustände. Gleichzeitig führen die erschaffenen finanziellen Abhängigkeiten in der besten regelbasierten Ordnung, die es je gab, systembedingt zu einem Negativsaldo, der ganz unverhohlen den Eindruck macht, als wäre er gekommen, um zu bleiben. Dummheit dürfte in den höheren Rängen der Finanzstrategen wohl auszuschließen sein. Folglich bleibt nur der Vorsatz.
Und da drängt sich unabweisbar der Gedanke auf, dass die seit Jahrzehnten praktizierte Entwicklungshilfe womöglich – frei nach Clausewitz – nur die Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln ist. Ein verwegener Gedanke, gewiss. Aber als Kriegstheoretiker steht der alte Clausewitz doch derzeit selbst bei früheren Wehrdienstverweigerern hoch im Kurs.
Zutiefst fragwürdige „coronare“ Personalien wie https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Ulrich_Holtherm gehören nicht geschwärzt, sondern mit Textmarker leuchtend hervorgehoben!! !
Schöne Osterfeiertage möchte ich lieber nicht wünschen!
Lieber Herr Stobbe,
vermutlich gab es die Anfrage an Sie schon oft, entschuldigen Sie ggf. eine Wiederholung.
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Liebes Jacorakel,
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Rüdiger Stobbe www.mediagnose.de www.fakten-energiewende.de
Meine Empfehlungen zum Karfreitag:
Nietzsche - Zur Genealogie der Moral - Eine Streitschrift
Hermann Lübbe - Politischer Moralismus: Der Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft
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